Kausalität und Quantenphysik

Bereits 1952 hatte der Physiker David Bohm Einsteins Wunsch nach einer rein kausalen, nach klassischen Theorien orientierten Quantenphysik erfüllt. In ihr gab es Teilchen, feste Bahnen, strenge Kausalität und eine Art „Führung“ durch ein spezielles Potential, welches die Bewegung von Teilchen auch als Welle organisierte. Und das alles entstand aus der allgemein anerkannten Schrödingergleichung: Bohm hatte nur, wie in der Physik allgemein üblich, den mathematischen Realteil vom Imaginärteil getrennt und damit zwei Gleichungen erhalten.
Zu viel für die Priester der Orthodoxität. Denn die reagierten auf Bohms Theorie äußerst heftig, irrational und grundlos emotional. Oder sie leugneten die Bohmsche Theorie wider besseres Wissen. Hier einige Beispiele:
– John von Neumann, der Mathematiker, der beweisen hatte, dass eine Theorie a la Bohm gar nicht möglich ist, schwieg vornehm. Vermutlich war er von seinem fehlerhaften Beweis immer noch überzeugt.
– Nils Bohr nannte Bohms Theorie „närrisch“. Als der Physiker Ernest J. Sternglass Bohr besuchte und mit ihm die Bohmsche Theorie diskutieren wollte, wunderte er sich über die gefühlsmäßig heftige Reaktion seines Gastgebers:
Es war mir peinlich. Die Heftigkeit dieses ansonsten so sanften und freundlichen Mannes überraschte mich wirklich. Bohr erschien mir in diesem Augenblick wie ein fanatischer fundamentalistischer Priester, intensiv darum bemüht, meine Seele vor der Verderbnis zu retten.
– Wolfgang Pauli und Werner Heisenberg beschimpften Bohms Theorie als „metaphysisch“ und „ideologisch“. Ausgerechnet die beiden Anhänger und Propagatoren ihrer „Unschärfe“ des eigenen Denkens, das sie auf die Natur projizierten! Sachliche Argumente gab es von ihrer Seite keine.
– Richard Fenyman, bekannt durch seine grafische Veranschaulichung bestimmter Aspekte der Teilchenphysik, erzählte noch 20 Jahre nach Publikation der Bohmschen Theorie seinen Schülern voll wütender Ignoranz:
Wie funktioniert (der für die Quantenphysik wichtige) „Doppelspaltversuch“ wirklich? Niemand kennt irgendeinen Mechanismus. Niemand kann eine tiefere Erklärung dieses Phänomens anbieten außer einer einfachen Beschreibung.
Dabei war genau dies Bohms großes Verdienst gewesen: Er hatte den uralten Konflikt zwischen Welle und Teilchen gelöst, den „Welle-Teilchen-Dualismus“ entmystifiziert, auf physikalisch einsichtige und einfach erklärbare Weise. Kein Wunder, dass Feynman in seiner Autobiografie mit gewissem Stolz von sich erzählt:
John von Neumann hat mir etwas wirklich Interessantes beigebracht: dass man sich für die Welt, in der man lebt, nicht verantwortlich zu fühlen braucht. In der Folge entwickelte ich eine ausgeprägte Verantwortungslosigkeit in gesellschaftlicher Hinsicht. Deswegen beteiligte sich Feynman an der Entwicklung der Atombombe, und als die Männer vom erfolgreichen Abwurf auf Hiroshima mit Hunderttausenden Toten und Leidenden hörten, da feierten sie ihren Erfolg mit einem gemeinsamen Besäufnis.
– Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe und Doktorvater Bohms, nannte die These seines ihm Anvertrauten „jugendliches Abweichlertum“, und er riet den anderen Physikern, die Theorie zu ignorieren (was diese auch ohne Oppenheimers guten Ratschlag taten). Schließlich
– Albert Einstein, der jahrzehntelang genau für das gekämpft hatte, was Bohm nun lieferte: eine kausale, mythenfrei Quantenphysik. Einsteins Reaktion:
zu billig
Nicht nur, dass Bohm ignoriert wurde, er wurde auch noch aus seinem Heimatland vertrieben. Sein Doktorvater Oppenheimer schwärzte ihn beim FBI als „linken Abweichler“ an, und Bohm musste die USA verlassen. Er fand ein Domizil in Brasilien, dann in Israel, zuletzt in England. Seine mystischen Interessen brachten ihn in Kontakt (und später in Konflikt) mit dem indischen Religionsfilosofen Krishnamurti. Kurz vor seinem Tod erlebte Bohm eine gewisse Anerkennung, zumindest in seiner Wahlheimat Großbritannien.

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