Kopernikus: Die Natur ist vollkommen

Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543), der deutsche Gelehrte aus Polen, formulierte als erster ein heliozentrisches System, das große Verbreitung fand und zur Grundlage unseres abendländischen Weltverständnisses wurde. Zwar hatte schon im Altertum Aristarch von Samos vermutet, die Sonne stehe im Mittelpunkt und Erde und Mond umkreisen sie. Doch erst mit den genauen Skizzen und Berechnungen des Kopernikus wurde das System, gegen den Widerstand der katholischen Kirche (aber mit Billigung der Jesuiten) weit verbreitet und bald allgemein anerkannt. Das System krankte nur an einer Kleinigkeit: Es stimmte nicht.

Heliozentrisches System nach Kopernikus: Die Sonne steht im Mittelpunkt, die Planetenbahnen sind Kreise. Das aber stimmt nicht!


Nun wird doch jeder sagen: Aber die Planeten umkreisen doch die Sonne! Nein, tun sie nicht, sie beschreiben Ellipsenbahnen. Der Unterschied ist rein theoretisch gewaltig, rein rechnerisch offenbar auch. Denn nach Kopernikus waren die Planetenstellungen ungenauer zu berechnen als nach Ptolemäus. Also könnte man daraus folgern, dass Ptolemäus Recht hat und Kopernikus nicht. Das ist natürlich Unsinn. Kopernikus hatte die richtige Idee, aber ihm fehlte noch eine Kleinigkeit. Ptolemäus hatte das richtige Rechenverfahren, aber keine Vorstellung davon, wie das Universum aussieht oder funktioniert (was ihn auch nicht interessierte).
Hätte also Kopernikus eine Kleinigkeit an seinem System geändert … aber das konnte er nicht. Denn er war zu seinem System nicht etwa durch langwierige Beobachtung gelangt, sondern durch theologische Überlegungen, wie übrigens nach ihm auch noch Kepler und Newton. Gott, so der Gedanke, ist vollkommen, also hat Er auch eine vollkommene Welt erschaffen. Diese Vollkommenheit muss sich auf jeden Fall in den unabänderlichen und erhabenen Gesetzen der Himmelsmechanik zeigen. Die vollkommenste Figur ist der Kreis; folglich müssen sich Himmelsköper kreisförmig durchs Weltall bewegen. Jede andere Form wäre Gottes nicht würdig.
Insbesondere sind Ellipsen nach diesen Gedankengängen völlig undenkbar. Denn erstens sind sie nicht vollkommen, was man schon auf den ersten Blick wahrnimmt: Ihre eiförmige Gestalt schlafft ziemlich ab gegen das vollkommen Runde des Kreises. Und zweitens soll sich der Zentralkörper (die Sonne für die Planeten, die Erde für den Mond) auch noch in einem (beliebigen!) Brennpunkt befinden, nicht etwa im Mittelpunkt. Eine derartige Beliebigkeit ist Gottes absolut unwürdig und demzufolge auch nicht möglich.
Dennoch kommt Kopernikus das Verdienst zu, die Idee des heliozentrischen Systems verbreitet zu haben: Im Mittelpunkt des Sonnensystems steht das Zentralfeuer, die Sonne, nicht etwa die Erde. Damit kam er in Widerspruch zur Kirche, und deswegen wurden seine Schriften auch erst nach seinem Tod gedruckt und nur heimlich verbreitet. Immerhin war auch noch Galilei ein Anhänger des kopernikanischen Systems (kreisförmige Planetenbahnen), während der, wie Kopernikus ebenfalls tiefgläubige, Kepler durch mühsames Rechnen die wahre Form der Planetenbahnen herausfand.

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