Kooperation statt Konkurrenz (1)

Es sieht so aus, als wären nicht Egoismus und Kampf die Motoren der Evolution, sondern Kommunikation und Kooperation („Doppel-K“ oder K²) , also miteinander reden und zusammenarbeiten. Das hat schon der deutsche Filosof Friedrich Nietzsche erkannt:
In der Natur herrscht nicht Notlage, sondern der Überfluss, die Verschwendung, sogar bis ins Unsinnige.
Ganz wesentlich wurde die K²-Idee von dem russischen Anarchisten Graf Piotr Alexejewitsch Kropotkin zu Beginn des 20. Jahrhunderts befürwortet. Als Armeeoffizier in Sibirien beobachtete er fünf Jahre lang die dortige Tier- und Pflanzenwelt. Ergebnis seiner Beobachtungen: Hauptfaktor für das Überleben im rauen nördlichen Klima ist nicht Rivalität, sondern gegenseitige Hilfe. Denn:
Wenn wir die Natur fragen: Wer sind die Tüchtigsten: Jene, die ewig miteinander Krieg führen, oder jene, die einander unterstützen? Dann sehen wir sofort, dass jene Tiere, die einander helfen, am besten angepasst sind. Sie haben bessere Chancen zum Überleben, und sie erreichen die höchste Stufe der Intelligenz und Körperstruktur.
Den großen Durchbruch der K²-Idee verdanken wir einer Frau. Lynn Margulis wandte das K²-Konzept auch auf Zellen an. Den Biologen war ein Bestandteil der Zellen schon lange ein Rätsel. Mitochondrien, die Energielieferanten einer jeden Zelle, besitzen nämlich eine eigene Vererbungsstruktur: sie geben ihre Gene nur über die mütterliche Linie weiter. Margulis schloss daraus, dass Mitochondrien ursprünglich eigene Lebensformen waren, die von anderen Lebewesen einverleibt, aber nicht gefressen wurden. Die beiden verständigten sich (Kommunikation) und schlossen ein Bündnis (Kooperation): Die größere Zelle beschützte die kleinere, diese gab dafür der größeren Energie.
Es gibt noch viele andere Beispiel für diese Art der Endosymbiose:
– Bakterien und Archäa (Bakterien ähnliche primitive Lebensformen) verschmolzen zu Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen. Während die meisten Bakterien in der Lage sind, gelöste organische Verbindungen aufzunehmen und daraus Energie für ihren Stoffwechsel zu gewinnen, fehlen Archäbakterien die dazu nötigen Transportsysteme in der Hüllmembran. Wahrscheinlich haben sich Bakterium und Archäbakterium erst einmal aneinander gelegt, und letzteres hat die Abfallprodukte des Bakteriums zur Energiegewinnung herangezogen. Bevor die Beziehung noch intimer werden konnte, musste das Bakterium zunächst seine Gene für die Transportsysteme der Hüllmembran auf das Archäbakterium übertragen. Nun erst war das Archäbakterium in der Lage, selbst gelöste organische Verbindungen aufzunehmen, womit das Überleben des Bakteriums in der Wirtszelle gesichert war. Im Laufe der Zeit gab das Bakterium immer mehr seiner Gene an den Wirt ab, so dass schließlich, wie etwa im Fall des Mitochondriums, nur noch wenige Gene übrig blieben.
– Algen und Cyanobakterien verschmolzen zu höheren Pflanzen. Eine Wirtszelle nahm Cyanobakterien auf. Durch das Einverleiben des photosynthetisch aktiven Symbionten konnte die Wirtszelle nun ein anderes Leben führen, denn sie war auf einmal in der Lage, von Licht, Wasser und C02 zu leben.
– Die Organellen zahlreicher Algen besitzen drei oder vier Hüllmembranen. Die Forscher gehen davon aus, dass dort Zellen wiederholt „verschlungen“ wurden.
Usw.

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