Parallelwelten

Die Idee, dass es nicht nur eine, sondern unzählige Welten gibt, die in einer höheren Dimension aneinander parallel liegen (wie ein Stapel Blätter), stammt wie üblich aus der Science Fiction und wurde später   auch   in   der   Quantenphysik   propagiert („Vielewelten-Interpretation“, H. Everett, B. de Witt, D. Deutsch). Sie umgeht geschickt alle Paradoxien, denn wenn die Vergangenheit geändert wird, bildet sich automatisch eine neue Welt, sozusagen eine Variante. Diese Auffassung ist für Physiker traumhaft, weil sie alle Zeit-Paradoxien sowie eine Menge unerklärlicher Phänomene der Quantenphysik vermeidet. Sie ist für SF-Autoren uninteressant, weil es keinerlei Verwicklungen gibt, die gute Literatur erst ausmachen.

Deswegen hat sich der Erfinder der Parallelwelttheorie, der SF-Autor Murray Leinster, in seiner Erzählung “ Sidewise in Time“ (1934) gleich die Variante ausgedacht, die spätere Autoren übernommen haben: Die Parallelwelten sind nicht „dicht“, was bedeutet, dass Personen von einer Welt zur anderen übertreten können. Die Verwirrung ist perfekt: römische Legionäre tauchen in den USA auf, Wikingerschiffe überfallen einen Hafen in Massachusetts. Ein Vertreter bekommt Schwierigkeiten beim Übertritt in einen Südstaat, denn der hat den Bürgerkrieg gewonnen. Chinesische Reisbauern verkaufen ihre Waren in Washington, DC. Usw. Später hat Jack Williamson ei- nen ganzen Erzählzyklus daraus gemacht („The Legion of Time“, 1938), und Robert Silverberg hat aus dem Konzept eine menschlich ansprechende Erzählung gezaubert („Trips“ in: Final Stage, 1974), in der der Held ziellos durch die Parallelwelten wandert, endlich seine Frau findet, aber von ihrem Ehemann freundlich begrüöt und wieder freundlich verabschiedet wird und sich als Heimatloser um Univer- sum der Parallelwelten verläuft.

Auch ein bekannter Schriftsteller hat diese Idee zu einer Kurzge- schichte verarbeitet, wiederum lange bevor die Wissenschaftler ähn- lich dachten. In Jorge Luis Borges‘ Erzählung „Der Garten der Pfade, die sich verzweigen“ (1944) schildert der argentinische Autor das Konzept so:

Der Garten der Pfade, die sich verzweigen, ist ein zwar unvollständiges, aber kein falsches Bild des Weltganzen, so wie es (ein chinesischer Gelehrter) auffasste. Im Unterschied zu Newton und Schopenhauer glaubte Ihr Ahne nicht an eine gleichförmige, absolute Zeit. Er glaubte an unendliche Zeitreihen, an ein wachsendes, Schwindel erregendes Netz auseinander- und zueinander strebender und gleichgerichteter Zeiten. Dieses Webmuster aus Zeiten, die sich einander nähern, sich verzweigen, sich schneiden oder jahrhundertelang nicht voneinander wissen, umfasst alle Möglichkeiten. In der Mehrzahl dieser Zeiten existieren wir nicht; in einigen existieren Sie, ich jedoch nicht; in anderen ich, Sie aber nicht; in wieder anderen wir beide. In dieser Zeit nun, die mir ein günstiger Zufall beschert, sind Sie in mein Haus gekommen. In einer anderen haben Sie mich, da Sie den Garten durchschritten, als Toten gefunden; in wieder einer anderen sage ich dieselben Worte wie jetzt, aber ich bin ein Trug, ein Scheinbild.

Kann es Parallelwelten geben? Es gibt da Probleme physikalischer Natur, vor allem mit der Energie. Denn die unendlich vielen Universen brauchen nicht nur Platz, sie produzieren auch jede Menge Wärme, Strahlung, Schwerkraft und andere Energieformen. Selbst wenn wir uns unendlich-dimensionale Räume vorstellen, in denen diese Welten eingebettet sind – die Energie hält sich nicht an räumliche Grenzen. Sie müsste überschwappen und alles vernichten.

Genug der Spekulationen. Lasst uns konkret werden und eine Zeitmaschine basteln!