Übersicht:
wer | Beruf | wann | Grundlage | Technik |
Edward Page Mitchell | Schriftsteller | 1881 | keine | Wanduhr |
H. G. Wells | Schriftsteller | 1895 | keine | Fahrrad |
Will Stuart (= Jack Williamson) | SF Autor | 1942 | Wheeler Feynmann Theorie der Zeitumkehr | Antimaterie |
Kurt Gödel | Mathematiker | 1949 | ART(*): rotierendes Universum | schnelles Raum schiff (70% Licht geschwindigkeit) |
Frank Tipler | Physiker | 1974 | ART(*): rotierender Körper | rotierende Zylinder aus exotischer Materie |
Kip Thorne | Physiker | 1988 | ART(*): Singularitäten | verbundene Wurmlöcher |
Marlin B. Pohlmann | Erfinder | 2006 | ART(*): Singularitäten | Kerr-Singularitäten (rotierende Schwarze Löcher) |
(*) ART = Allgemeine Relativitätstheorie oder Feldgleichungen der Gravitation (Einstein/Hilbert 1915)
Ich weiß, eine konkrete Zeitmaschine hat noch niemand gebastelt, aber wie wäre es mit Ihnen, lieber Leser? Immerhin hat Marlin B. Pohlmann aus Tulsa (USA) 2006 ein US-Patent auf eine Zeitmaschine angemeldet , und den Anfang der Patentschrift („Method of gravity distortion and time displacement“) will ich hier übersetzt präsentieren (soweit ich ihn verstanden habe):
Es wird eine Methode vorgestellt zur Anwendung sinusoidalerSchwingungen einer elektrischen Bombardierung auf der Oberfläche einer Kerr-Singularität in enger Nachbarschaft zu einer zweiten Kerr-Singularität, wobei Vorteile gezogen werden aus dem Lense-Thiring-Effekt, um die Wirkung zweier Punktmassen auf beinahe kreisförmigen Umlaufbahnen in einer 2+1-dimensionalen Anti-de Sitter-Welt zu simulieren, was zur Schaffung einer kreisförmigen zeitähnlichen Geodätischen führt, in Übereinstimmung zur van Stockum unter der Van Den Broeck Modifikation einer Alcubierre-Geometrie, was die Änderung der Topologie erlaubt, von einer raumähnlichen zu einer anderen in Übereinstimmung mit Gerochs Theorem, was zu einer Methode der Schaffung einer Gödelartigen, geodätisch vollständigen Raumzeiteinbettung führt, komplett mit geschlossenen zeitartigen Raumzeitlinien.
Na bitte, geht doch. Und wenn Sie’s nicht ganz verstanden haben: Auf den folgenden 30 Seiten (plus Abbildungen) werden alle Unklarheiten beseitigt. Hoffentlich.
Die erste Zeitreise mit einem technischen Gerät vollführte der amerikanische Schriftsteller Edward Page Mitchell in der Zeitschrift „Sun“ schon im Jahre 1881. Die Zeitmaschine war eine Uhr! Diese Idee wurde in der satirischen Comicserie „Herbie“ aufgenommen, wo der fette faule Herbie mittels Pendeluhr als Zeitmaschine ins alte Ägypten reist, um für seinen Vater die schöne Cleopatra zu entführen. Die erweist sich allerdings als fette faule Schlampe, welch merkwürdiger Zufall. Lasst uns wieder ernsthaft werden: Mitchell erfand auch schon 1877 die Teleportation („The Man without a Body“, ebenfalls in der Sun) und beschäftigte sich wohl als erster mit dem Zeitparadoxon.
Die erste Zeitmaschine als technisches Gerät hat sich bekanntlich H.G. Wells in seinem weltberühmten Roman „Die Zeitmaschine“ ausgedacht. Gedanken über deren technische Realisierung (oder auch nur das zugrunde liegende physikalische Konzept) machte er sich nicht, da die Zeitmaschine nur als literarisches Vehikel diente, die ferne Zukunft Englands zu beschreiben. Der Produzent und Reschissör George Pal dagegen hat sie in seinem gleichnamigen Film (1960) unsterblich gemacht, als eine Art Schlitten mit Antriebsrad im Rücken. Diese Zeitmaschine gibt es auch zum Selberbasteln hier: http://spaceart.de/produkte/uf014.php
Die erste Zeitmaschine mit physikalischem Hintergrund stammte von Will Stuart (Pseudonym für Jack Williamson), der sie in „Astounding“ 1942 veröffentlichte und dabei, wie so oft in der SF-Literatur, wissenschaftliche Ideen vorausnahm, diesmal die Idee von Wheeler-Feynman, Antimaterie sei Materie mit rückwärts laufender Zeit.
Einsteins Gleichungen von 1915 erlaubten Lösungen, die zu abgefahrenen physikalischen Spekulationen Anlass gaben. Die erste die- ser Lösungen stammt von seinem besten Freund, dem Mathematiker Kurt Gödel, der 1949 ein um eine vierdimensionale Achse rotieren- des Universum postulierte. Zufällig ergaben sich daraus „zeitartig geschlossene Raumzeitkurven“, was bedeutet: Wenn jemand lange (und schnell) genug in die Zukunft reist, kommt er in der eigenen Vergangenheit an. Kurzum: In Gödels Universum sind Zeitreisen möglich, eine Tatsache, die Gödel nicht störte, Einstein aber sehr wohl. Denn nun ergeben sich all die Paradoxien, die dem Physiker das Leben schwer machen. Paradoxien sind aber des Mathematikers täglich Brot, daher Gödels Gleichmut.
Ebenfalls mit rotierenden Objekten versuchte es der theoretische Physiker („Physik der Unsterblichkeit“) Frank Tipler. Tiplers Zeitmaschine aus dem Jahr 1974 sieht so aus: Man nehme überdichte (= exotische) Materie (so dicht wie in einem Neutronenstern, wo ein Kubikmillimeter soviel wiegt wie ein Schlachtschiff), bastle daraus einen sehr dünnen, sehr langen Zylinder (mindestens 100 km lang, etwa 10 km breit), der dann so schnell gedreht wird, dass seine Oberfläche mit halber Lichtgeschwindigkeit rotiert, das sind etwa 2000 Umdrehungen pro Sekunde. Dann bilden sich in seinem Äußeren zeitartig geschlossene Weltlinien, was Zeitreisen ermöglicht (wenn uns das Gerät nicht um die Ohren fliegt oder vorher schon zusammenbricht), mit einem Nachteil: Die Zeitreisen sind nur auf seiner Karussell-Oberfläche möglich und auch nur innerhalb der Zeit, da diese Maschine existiert. Das bringt wohl nicht viel, aber immerhin war Tipler der erste ernsthafte Wissenschaftler, der ein Konzept vorstellte, welches sich auf eine allseits anerkannte Theorie stützte, nämlich auf die Allgemeine Relativitätstheorie von Albert Einstein, die für alle Zeitreisen und -maschinen seit Gödel zur Vorlage wurde.
Einsteins Gleichungen erlaubten auch noch andere Lösungen, und zwar solche, in denen „Singularitäten“ vorkommen. Das sind physikalisch nicht tragbare Zustände, die indes bei spekulativen theoretischen Physikern sehr beliebt sind. (Einstein gehörte nicht dazu.) Wiederum war es John A. Wheeler, der sich mit ihnen intensiv beschäftigte und ihnen auch den heute üblichen Namen gab: Schwarze Löcher. Später erfand er auch noch „Wurmlöcher“, sozusagen die Nano-Ausgabe der Schwarzen Löcher, und mit ihnen wurden nun, überraschenderweise, Zeitreisen möglich.
So machte sich Wheelers Schüler Kip Thorne auf die Suche nach Wurmlöchern, die Zeitreisen erlauben. In dem Buch „Black Holes and Time Warps: Einstein’s Outrageous Legacy“ (1994) nahm er zwei Wurmlöcher als Ein- und Ausgang eines Tunnels durch die Raumzeit (wieder ein Konzept, das SF-Autoren schon viel früher hatten: Sie nannten diesen Tunnel „Hyperraum“). Ausgehend von Einsteins Formeln zur Allgemeinen Relativitätstheorie konnten er und Wheeler zeigen, dass Schwarze Löcher nicht immer gänzlich „schwarz“ sein müssen. Es gibt auch welche, die auf der anderen Seite „weiß“ sind, was, in die Alltagssprache übersetzt, bedeutet, dass sie alles, was sie verschlucken, auf der anderen Seite wieder ausspucken. Die andere Seite könnte ein anderes Universum sein, oder unser eigenes, aber dann in einer anderen Zeit. Das Geschluckte wird dann vor dem Verschlucktwerden wieder ausgespuckt.
Zwar sind Wurmlöcher kleiner als Atomkerne und sie leben kürzer als ein Lichtblitz, aber man könnte sie ja irgendwie aufblasen und mit dem entsprechenden Raumzeitkleber stabilisieren. Woher die Wurmlöcher kommen, ist eine andere Sache (durch Energiefluktuationen aus dem „Quantenschaum“), wie man ihre Öffnungen („Münder“) vergrößert, desgleichen; und erst recht, wie sie stabilisiert werden sollen. All das reicht aber nicht: Jetzt muss auch noch das eine Wurmloch gegenüber dem anderen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden, damit es zur Zeitverschiebung („Zeitdilatation“ nach Einstein) kommt. Weil das nun wirklich nicht funktionieren würde, haben sich Thorne und Mitarbeiter eine andere Methode ausgedacht, die ebenfalls auf Einstein zurückgeht: Schwere Massen verlangsamen den Zeitfluss. Es würde also genügen (!), das eine Wurmloch in die Nähe einer großen Masse (z.B. eines Weißen Zwergs) zu bringen, um dort die Zeit zu verlangsamen. Wenn das alles bewerkstelligt wurde, kann ein Mensch durch den Übergang von einem Wurmloch-Mund zum anderen in der Zeit reisen (in jeder Richtung). Abgesehen von all den technischen Problemen bleibt auch hier die unangenehme Tatsache, dass man nur jene Zeiten bereisen kann, in denen beide Wurmlöcher existieren. Davon hat die Wissenschaft wenig, dafür handelt sie sich die Paradoxa ein, die nicht sein dürfen. Davon im nächsten Kapitel mehr!
Im übrigen: Wer sich eine Zeitmaschine zulegen will, dem sei zuvor wärmstens John Brunners „Der galaktische Verbraucher-Service: preiswerte Zeitmaschinen“ zur Lektüre empfohlen (in: „Zielzeit“, Heyne 1965). Damit keiner im zeitlichen Nichts landet und sich nachher bei den Verbraucherzentralen beklagt …